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Theoretische Annäherung und Eingrenzung

Als Arbeitsgruppe Neuropädagogik verstehen wir "Neuropädagogik" nicht als neue Subdisziplin der Bildungswissenschaft respektive der neuro- und kognitionswissenschaftlichen Forschungslandschaft; vielmehr stellt sie den Versuch dar, an der Schnittstelle von Bildungswissenschaft und Neurowissenschaften zentrale Probleme, Voraussetzungen und Implikationen von Entwicklung, Bildung, Erziehung, Sozialisation, Lernen und des Unterrichts kritisch zu diskutieren, um Grenzen und Möglichkeiten wechselseitiger Bereicherung auszuloten.

Das primäre Ziel der Arbeitsgruppe Neuropädagogik ist es, neben der kritischen Prüfung und theoretischen Einbettung neurowissenschaftlicher und erziehungswissenschaftlicher Erkenntnisse in einen interdisziplinären Zwischenraum, die (pädagogisch) anthropologischen und entwicklungs-theoretischen Grundlagen der Bildungswissenschaft zu untermauern, zu erweitern und gegebenenfalls zu relativieren sowie den Neuro- und Koginitionswissenschaften neue (geistes- und sozialwissenschaftlich orientierte) Forschungsperspektiven zu eröffnen. Gleichzeitig stellen wir den Anspruch dem Konnex von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft gerecht zu werden bzw. uns um die Verbindung von Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaft zu bemühen. In diesem Sinne ist die Neuropädagogik, als interdisziplinärer Ort der Verständigung, eine ergänzende und gewinnbringende Orientierungshilfe im Kontext der pädagogischen Aufgabe der Vermittlung, indem geprüft wird, welche neuro- und kognitionswissenschaftlichen bzw. naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse pädagogisch sinn- und wertvoll sind.

Um dies zu gewährleisten versuchen wir sowohl (a) diskursive Problemlagen beider Disziplinen zu berücksichtigen und herauszuarbeiten, wie bspw. den divergenten erkenntnistheoretischen und methodologischen Hintergrund, das Problem naturalistischer und mereologischer Fehlschlüsse, das Problem unterschiedlicher Sprachebenen und Bedeutungszuschreibungen, die Gefahren des Sozialdarwinismus und der Kulturfeindlichkeit, den historisch bedingten Kontext, als auch (b) auf notwendige Voraussetzungen eines disziplinübergreifenden Dialogs aufmerksam zu machen, wie u.a. die Explikation anthropologischer Vorbehalte, den Verzicht auf lineare Handlungsanweisungen bzw. kausale Praxisanleitungen, die Gegenüberstellung der Grenzen und Möglichkeiten beider Disziplinen, die korrekte und detaillierte Rezeption von Studien und Ergebnissen.

Gegenstandsbereiche der Neuropädagogik können all jene Themen sein, bei welchen die biologischen, psychologischen und sozialen Dimensionen des Menschseins sowie dessen historische und kulturelle Gewordenheit erfasst werden und dabei ein Bogen von Bildungswissenschaft und Neurowissenschaft(en) gespannt wird. (Dazu zählen u.a. die Lehr-Lern-Forschung, die Emotionsforschung, die Bewusstseinsforschung, die neuropsychoanalytische Entwicklungstheorie, die Kognitionsforschung, die Bindungstheorie, der Transhumanismus, die Gedächtnisforschung, die Rehabilitationsforschung, die Motivations- und Entscheidungs-findungsforschung, die Gerontopädagogik sowie die Verhaltensforschung und Sozialisationsforschung etc.) Die Neuropädagogik und ihr metatheoretisch kritisches, interdisziplinär ausgerichtetes Forschungsinteresse versteht somit naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse als weiteren Beitrag zu einem pädagogischen Dialog über die Zusammenhänge und die Mittelbarkeit von Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften. Sie eröffnet ein Forschungsfeld, innerhalb dessen nach gemeinsamen Lösungen gesucht werden kann, behält dabei jedoch die divergierenden disziplinären Logiken als notwendige Bedingung im Auge und generiert somit eine bislang neue Perspektive im Kontext bildungstheoretischer respektive erziehungswissenschaftlicher Theoriebildung.     

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